Ich werde oft gefragt, wie meine Gedichte entstehen…..
Vor einigen Jahren fertigte ich gerne Collagen an. Ich hatte einen großen Stapel alter Zeitungen und Magazine, die ich durchblätterte, um hier und da Bilder oder Fragmente davon zu entnehmen und neu zusammenzukleben. Ganz nette Dinge kamen dabei heraus und das Spiel, aus bestehenden Motiven neue zu komponieren, schien mir reizvoll.
Allerdings gelang mir keine einzige Collage, die auch nur annähernd die Wirkung dieses Bildes gehabt hätte. Es entstand von allein. Mein Anteil daran war nur, es zu sehen. Es fiel mir beim Blättern in den bereits benutzten Magazinen auf. Ich hatte in der Vergangenheit irgendein Bild aus einer Seite herausgeschnitten, mir war dabei entgangen, dass sich auf der Rückseite des gewählten Motivs das Porträt einer jungen Frau vor blauem Himmel befand, in dem nun ein Loch klaffte. Die Augen, die Nase und ein Stück Stirn waren fort. Wegen meiner Angewohnheit, Zeitschriften von hinten nach vorne durchzublättern, war mir nicht aufgefallen, dass durch eben dieses Loch im Gesicht der Schönen nun der Blick auf das Bild eine Seite weiter fiel, wenn man „normal“ von vorn nach hinten blätterte.
Auf eben dieser Seite war das Foto eines knochigen Baumes abgebildet, vor fast einem genauso blauen Himmel aufgenommen wie das Porträt der Frau. Durch die beinahe gleichfarbigen Hintergründe nahm ich die beiden übereinanderliegenden Seiten zunächst als eine wahr und anstelle der Augen und der Nase der Frau waren also nun Teile der knorpeligen Äste des Baumes sichtbar.
Der Zufall hatte ein Bild gemacht, das ich konservierte. Ich hatte eingegriffen, unbewußt auf das Entstehen eingewirkt.- Nicht mehr, nicht weniger.
Ich werde oft gefragt, wie meine Gedichte entstehen…..
DINGFEST 