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Goldberg TV bespricht: Die heiklen Passagen…

Ja, manchmal findet eines der älteren Werke überraschend noch einmal ein Echo!
Mein Roman: Die heiklen Passagen der wundersamen Herren Wilde & Hamsun erschien 2015 und bleibt mein bis dato wohl erfolgreichstes Buch. Die Story rund um die vielen wenig bekannten Berührungspunkte in den Biographien Oscar Wildes und Knut Hamsuns wurde seinerzeit viel besprochen und sogar zum Kandidaten für die Hotlist 2016 gekürt.

Umso mehr freut mich, dass Buchblogger und Autor Anton Goldberg ihn nun für seine 20-teilige youtube-Reihe bookwatch ausgewählt und rezensiert hat. Seine ausführliche und sehr treffende Besprechung findet ihr hier oben. Ich bin sehr glücklich damit. Überhaupt lohnt es sich die gesamte Reihe anzusehen- es steckt viel Arbeit und ein guter Geschmack darin.

Vielen Dank für die Erinnerung an dieses Buch, das eine Monsterarbeit an Recherche und viel Durchhaltevermögen erforderte.
Die angenehmste und intensivste Zusammenarbeit mit einem ambitionierten Verlag, die ich bislang erleben durfte.

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Bullerbü brennt -Rezensionen

Zwei sehr schöne Rezensionen zu meinem Roman -Bullerbü brennt- gibt es jetzt auf der Verlagsseite zu lesen. Die erste schrieb Alfons Huckebrink für die Zeitschrift Am Erker, die zweite verfasste Stefanie Jerz für ihren Musenhort-Blog. Beiden sei von Herzen gedankt! Zum apebook Verlag und nach Bullerbü—hier lang:
https://apebook.de/shop/matthias-engels-bullerbue-brennt-roman/

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Sebastian Guhr: Mr. Lincoln & Mr. Thoreau -eine Art Rezension-

Ich bekenne direkt: Ich bin ganz schön neidisch auf den Kollegen Sebastian Guhr, der mit Mr. Lincoln & Mr. Thoreau just einen Roman vorlegt, den ich selbst jederzeit hätte schreiben wollen.

Meine Vorliebe für reale historische Stoffe und Figuren, für tiefgehende Recherche und eher kleinere Romanformen ist vielen vielleicht schon bekannt. Sebastian Guhr liefert in seinem Buch all das und er tut das mit so viel handwerklichem Geschick und Raffinesse, dass ich weniger erblasse, vielmehr wiederum leicht neidgerötet frage: Warum bist Du nicht auf diesen Stoff gestoßen?!

Abraham Lincoln und Henry David Thoreau, der US-Präsident und der Eremit und Waldschrat, Verfasser des Klassikers Walden oder Leben in den Wäldern.

Guhr schreibt keine Romanbiografie. Auch fokussiert er sich nicht auf die größten Zeiten seiner Protagonisten. Lincolns politische Erfolge sind nicht das Thema und bei Thoreau wuchs der Ruhm ohnehin erst posthum.

Vielmehr werden beide in ihrem (vorläufigen) Scheitern, in Krisen und mit ihren Unzulänglichkeiten gezeigt.

Lincoln, leicht unbeholfen im Umgang mit Menschen (besonders Frauen), ein Verfechter des Rechts und des Gesetzes, ist von ständigen Selbstzweifeln geplagt. Der „schwarze Hund“ hat sich seiner bemächtigt und muss in einer hinreißenden Szene ausgetrieben werden.

Thoreau, Erbe einer angesehenen Bleistiftfabrik und Freigeist, Freund von Ralph Waldo Emerson, streitet für die Freiheit- seine eigene und die allgemeine. Politik scheint ihm verdorben und keine Regierung geeignet, das Volk angemessen zu vertreten und zu lenken. Sein Experiment, eine Zeitlang in einer selbstgezimmerten Hütte am See zu leben, stößt auf Unverständnis und bringt ihm einen zweifelhaften Ruf ein. Für die Einen ist er der „Anführer einer Gruppe von Heidelbeerpflückern“, Andere möchten ihn für ihre radikaleren politischen Ziele vereinnahmen und tatsächlich wird eine Gefälligkeit für ihn verhängnisvoll. Sein Buch Walden wird lange nicht fertig und als es erscheint, bleibt seine Wirkung überschaubar.

Sebastian Guhr porträtiert beide Protagonisten abwechselnd in kurzen Kapiteln. Eine Komposition, die folgerichtig und stringent ist. Tatsächlich lässt er eine kurze persönliche Begegnung geschehen, da Wirkungs- und Bekanntenkreise beider Hauptfiguren sich überschneiden. Aber -wiederum vollkommen richtig und logisch- lässt der Autor seine Protagonisten sich nicht erkennen. Ansonsten besteht die Verknüpfung der Hauptfiguren aus dem Wissen umeinander, der Lektüre von Artikeln und Schriften über oder vom jeweils Anderen.

Guhrs Sprache ist geradlinig, treffsicher und genau. Mit großem Gespür für psychologische Zusammenhänge zeichnet er beide Protagonisten und auch zahlreiche interessante Nebenfiguren. Größere blumige Ausschweifungen bleiben aus, der Fokus liegt auf den Figuren und deren Tun.

Der Anspielungen auf aktuelle Themen sind viele und die oftmals als „gute alte Zeit“ verklärte Vergangenheit wird erkennbar als ebenso schlimmes politisches  und gesellschaftliches Haifischbecken.

Vergessen wir nicht die teils schwierigen, teils hinreißend zarten Liebesgeschichten des jungen Abe Lincoln.
Vergessen wir nicht die unglaublich witzige Duellgeschichte und die drollige Rolligkeit der Gemahlin Ralph Waldo Emersons gegenüber Thoreau, als deren Gatte für längere Zeit außer Hause weilt.

Ach ja: Vergessen wir nicht die herrliche haptische Gestaltung des Umschlags!

Alles in Allem: Mr. Lincoln & Mr. Thoreau ist in Sprache, Konzeption und Komposition in meinen Augen nahezu perfekt gelungen. Ein anspruchsvoller, aber immer äußerst unterhaltsamer historischer Roman mit messerscharf gezeichneten Figuren, guten Dialogen und der von mir hochgeschätzten Prise Humors.

Da ich aus meinem Wilde & Hamsun-Roman und anderen Texten um die Verlockungen weiß, jede –aber auch wirklich JEDE) mühselig aufgetane und hoch spannende Quelle zu verarbeiten, muss ich auch Sebastian Guhrs traumwandlerische Sicherheit bemerken, Material, Fiktion und Realität zu gewichten. Dem Roman muss eine umfangreiche Recherchephase vorangegangen sein- dennoch ist der Text nicht mit Fakten, Zahlen, Daten und Nebenschauplätzen überfrachtet. Er ist angenehm schlank, aber fundiert.

In seiner Vorbemerkung zum Buch verrät Guhr, die Originalquellen haben ihm als Sprungbretter gedient und wenn er die Wahl hatte, habe er sich für die literarische Lösung und gegen die historisch korrekte entschieden. Diese Haltung erscheint mir die einzig richtige im Umgang mit solch einem Stoff und wir verdanken ihr ein großartiges Buch! Mehr Spaß hatte ich seit Langem nicht mehr mit einem Roman und meine Lust daran federt sogar meinen Neid ab, ihn nicht selbst geschrieben zu haben!

Sebastian Guhr
MR. LINCOLN & MR. THOREAU

Hardcover mit Schutzumschlag, 192 Seiten
S. Marix Verlag
erschienen am 19. Juni 2021
ISBN 978-3-7374-1173-8
€ 20.00

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Eunuchen im Harem -Rezension-

In der aktuellen Ausgabe der Literaturzeitschrift experimenta findet sich eine sehr schöne Rezension meines Essaybändchens Eunuchen im Harem aus dem Brot & Kunst Verlag. Dort oder über mich ist es für 10€ erhältlich.

Die gesamte Ausgabe kann über diesen Link kostenlos eingesehen werden.

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Wir alle strahlen- Rezension im Lyrikraum

Im Lyrikraum von Birgit Böllinger findet sich heute eine weitere Rezension meines neuen Lyrikbandes „Wir alle strahlen“.
Ich weiß wieder gar nicht so recht, welche der so treffenden Sätze zu meinem Band ich nun zitieren soll- vielleicht:

Matthias Engels nimmt einem mit seinem neuen Gedichtband „wir alle strahlen“ mit auf eine Reise durch Innen- und Außenräume, geprägt von Melancholie und Lebenslust zugleich.
oder:
Der 1975 am Niederrhein geborene Schriftsteller stellt sich mit seinem jüngsten Lyrikband in eine große Tradition, weckt Assoziationen zu George, Benn, Trakl, Rilke und ist dabei jedoch auch ganz und gar gegenwärtig, ein Kind seiner Zeit.

Wie auch immer: vielen herzlichen Dank an Birgit Böllinger für die ausführliche und wohlwollende Besprechung.
Die vollständige Rezension gibt es HIER

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Wir alle strahlen -Rezension

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(Foto: Lyrikatelierfischerhaus)

Die erste Rezension zu meinem neuen Lyrikband Wir alle strahlen kommt vom Blog Lyrikatelierfischerhaus.  Ich weiß gar nicht, was ich aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Texten des Bandes alles zitieren soll…

Vielleicht dies:

„Dieser Lyriker hat einen ganz eigenen, unverwechselbaren Ton und ich denke, ein größeres Kompliment kann man einem Lyriker kaum machen. Er ist wach, aufmerksam, erhaben und verhalten zugleich. Er vermisst die Welt….“

oder:

„Nie hat man es nur mit Skizzen zu tun. Immer sind es kristallklare Bilder. Jene sind so exzellent, das sie oft stauen lassen: „Der mond ist gegangen / und in der pfütze schnappen karpfen / nach den sternen //“.“

schließlich:

„Matthias Engels setzt einen besonderen Stein in das Mosaik der Gegenwartslyrik, dessen Farbintensität und Klangtiefe- und Schärfe noch immer zu wenig Beachtung geschenkt wird.“

Die gesamte Besprechung gibt es hier.
Vielen Dank für die Mühe und das Interesse, liebe Kerstin Fischer.

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Wir alle strahlen
gibt es für 15,50€ bei mir per persönlicher Nachricht (zzgl. Porto),
in jeder Buchhandlung oder HIER.

 

 

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Lütfiye Güzel: Dreh-Buch

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Was könnte man da für herrlich abgenudelte Wortspiele abspulen!
„Lütfiye Güzel hat den Dreh raus, verdreht Einem den Kopf, dreht durch…“

Aber lassen wir das lieber: Das Dreh–Buch der außerordentlichen Dichterin, die Schlag auf Schlag unter ihrem eigenen Label Go-Güzel publiziert, ist diesmal kein Lyrikband.

Aber was ist es denn?
Theater? -Ausgehend von einem Bühnen- oder Filmsetting läge das gar nicht so fern.
Aber nicht wirklich.

Was für`s Kino denn?- Nun, das wäre ein ganz besonderer Streifen- soviel darf gesagt sein. Also auch nicht, nicht in echt jetzt.

Lütfiye dreht –ha, noch so`n Wortspiel- das Genre Drehbuch hier komplett durch den Wolf. Sie greift es auf, hat wohl auch anfangs richtig Bock drauf- aber nur, um es ganz schnell zu verwerfen. Güzel-Kenner wissen: Keine Form ist stark genug, der Autorin seine Fesseln anzulegen. Ganz schnell bricht dieser Sound durch, sehr bald entsteht dieses typische Konglomerat aus innerem Monolog, sich selbst kommentierend und in Frage stellend und hochgradig lyrischen Passagen.

Hier dreht Güzel –ich kann`s nicht lassen– richtig auf:
Aus dem Film-Drehbuch wird ein Anti-Drehbuch, ein Anti-Film,
wird eine Dokumentation des nicht Film-und nicht drehbaren.
Vielmehr, so scheint es mir, wird der Text nun eine Art Prosa-Schule und ein Versuch darüber zu schreiben, was eigentlich erzählbar ist und was nicht.  Wobei der Fokus auf all dem liegt, was eigentlich -im filmischen Sinne- keine Story und keine großen Bilder hergibt- aber in Wahrheit einen viel größeren Teil der Wirklichkeit ausmacht als das Glamouröse und Pittoreske.

Angehende Autoren- gehet hin und leset diesen prosaisch-lyrisch-lakonisch dahinfließenden Text, der da einen Dreck gibt auf Formelles und Formales!
Lauscht diesem Sound! Tauchet statt in Breitbandpanoramen ein in Sofalandschaften, beschienen von Fernsehlicht. Vergesset den Weichzeichner und den Weitwinkel!
Das Dreh-Buch, so klein, so schmal es ist, birgt mehr Welt und Literatur als die meisten Hollywood-Melodramen.

Bestellen kann man die Werke Lütfiye Güzels direkt unter https://luetfiye-guezel.tumblr.com/BOOKS

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Christoph Kleinhubbert -Poldernovelle- eine Art Rezension

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Vorab: Christoph Kleinhubberts neue Novelle, fast genau runde hundert Seiten stark, ist ein Kleinod.

Eine Autopanne lässt den Protagonisten Berthold Mohrbach, einen erfolgreichen Schriftsteller Ende Vierzig, im beschaulichen Örtchen Greetsiel an der Nordseeküste stranden. Mohrbach steckt tief in einer Schaffenskrise und der Zwangsaufenthalt könnte beides sein: willkommener Wink des Schicksals oder eben nur ein weiterer Genickschlag.
Der Ort ist freundlich, die gefundene Unterkunft sogar heimelig- Mohrbach sitzt, den Laptop und die Notizbücher in Reichweite, wartend auf einen Einfall. Was er schreibt scheint ihm aber nur als Beweis für sein verlorenes Talent zu taugen. Zunächst selbstmitleidig, dann zunehmend fatalistisch dreht er Runden durch den Regen, führt belanglose Gespräche mit seinem Vermieter und anderen Eingeborenen und- schläft des Öfteren unvermittelt ein, um extrem realistisch zu träumen.
Zeichen seines Ausgebranntseins, der Erschöpfung? Oder gar Vorboten eines ernsthaften gesundheitlichen Kollapses? Nichts Gutes jedenfalls, denn diese Schlaf- und Traumattacken bringen ihn mehrfach in Verlegenheit, lassen ihn nicht mehr zwischen real Erlebtem und Geträumtem unterscheiden. Eines ist ihm klar: so kann es nicht weitergehen.

Und dann verwischt Christoph Kleinhubbert die Grenzen zwischen Realität und Parallelwelt gekonnt und mit Hinterlist immer mehr- wie seiner Figur Mohrbach ist auch dem Leser bald nicht mehr klar, was genau wirklich passiert. Eine ganze Reihe literarischer Motive wird hier ins Spiel gebracht: das Doppelgänger-Motiv der Romantik, zu dem auch ein gewisser Schauer des Gruseligen passt- mitunter meint man in einer lakonischeren Variante einer von E.T.A. Hoffmanns Geschichten zu stecken. Die oft graue und herbstliche Atmosphäre der norddeutschen Küstengegend, der ja jedwede Spökenkiekerei nicht fremd ist, trägt ihr Übriges dazu bei. Mit einem ungeklärten Mord erhalten wir sogar eine Spannungskomponente. All das könnte zu einer abgeschmackten Horrorgeschichte geraten und einem Abklatsch der schwarzen Romantik. Nicht so aber bei Christoph Kleinhubbert.

Ohne zu viel von der Handlung zu verraten: am Ende finden sich Mohrbach und der Leser dann tatsächlich im Zwischenreich von Leben und Tod und an der Seite von Toten wieder. Eine unverhoffte Begegnung mit Mohrbachs Jugendliebe Caro klärt letztlich auf, was nun hier konkret Sache ist und diese Szene zeigt exemplarisch, warum die Poldernovelle nicht zu einem Gruselkabinett gerät. Kleinhubberts Geschick wird in dieser grandiosen Episode besonders deutlich. Die bei aller Rätselhaftigkeit klar und handfest, in einem gleichfalls von Lakonie und Poesie geprägten Stil vorgetragene Geschichte findet hier eine ganz besondere Auflösung.

Man könnte nun mäkeln: hier hätte Schluss sein sollen, die konkreten Umstände, die noch nachgereicht werden, hätte es nicht gebraucht- jedoch bekommt die Novelle hier noch einmal einen Rahmen verpasst, der auf reizvolle Weise die allerersten Sätze noch einmal aufgreift und mit Bedeutung auflädt und der Nachsatz, in dem Mohrbachs Vermieter im vom Autor verlassenen Haus eben doch noch ein während dessen Aufenthalt entstandenes gelungenes Gedicht findet, ist derart charmant, dass man das Mäkeln dann doch getrost unterlassen mag. Schon zuvor finden sich einige Gedankengänge und Formulierungen, um die man Kleinhubbert nur beneiden kann, speziell dann, wenn er Mohrbachs zunehmende Vereinsamung und Abschottung vom Leben und den Lebenden beschreibt. Ein einziges Mal muss aber doch gemeckert werden: dass dem sonst augenscheinlich gründlichen Lektorat zweimal die falsche Schreibweise des Namens Hemingway durchgerutscht ist, tut bei einem literarischen Werk dieser Klasse, in dem es sich noch dazu um einen Schreiberling dreht, etwas weh.

Zuletzt: Christoph Kleinhubberts neue Novelle, fast genau runde hundert Seiten stark, ist ein Kleinod, liebevoll gestaltet und wunderbar von Michael Blümel illustriert-und zwar nicht mit naheliegenden maritimen Motiven, sondern recht expressiven, düsteren Innenwelten, die die Geschichte tatsächlich auf ein weiteres, optisches Level bringen.

Rund ist diese Novelle, auf ziemlich lässige Weise perfekt gebaut und klug. Den Lyriker, der Kleinhubbert ebenfalls ist, hört man auch dieser Prosa jederzeit heraus. Die Poldernovelle selbst ist –wie ihre Illustrationen- mit wenigen kräftigen Strichen ausdrucksstark und mit Wucht gestaltet. Ein weiterer sehr schöner Band im NordPark Verlag, der Liebhaber guter Literatur und bibliophiler Gestaltung auf jeden Fall erfreuen dürfte.

Christoph Kleinhubbert
Poldernovelle
mit Bildern von Michael Blümel
NordPark Verlag
ISBN 978-3-943940-22-0

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Fabian Lenthe: In den Pfützen der Stadt… Rezension

Lenthe-Himmel

In den Pfützen der Stadt wächst ein Stück Himmel– so heißt der Debütband des 1985 in Nürnberg geborenen Fabian Lenthe. Exakt 100 Gedichte fasst der Band, kürzlich in Rodneys Underground Press erschienen.

Es wird eine Menge getrunken in diesen Gedichten, eine Menge geraucht (oder ist das nur der Eindruck?), das lange vor Monatsende aufgebrauchte Geld, die miesen Jobs und die Tristesse der Ein-Zimmer-Wohnung dominieren thematisch. Prosaisch das Ganze, lakonisch, schnodderig. Misanthropie, Lethargie- ah, ein neuer teutonischer Bukowski, denkt der Leser dieser Zeilen. Naja, natürlich ist der Ton ein Ähnlicher, aber wie so oft hinkt der Vergleich lieber, als dass er tänzelt. Prekäre Verhältnisse, ja. Sehr viel Hässlichkeit, Weltekel, ja. Wenig lyrisches Klingen, wenig empfindsam besungene Schönheit hier, natürlich.

Die jungen oder weniger jungen Männer des US-Underground, an deren Ton sich diese –nennen wir es: Schule- orientiert, waren in der einen oder anderen Weise: Kriegsheimkehrer, Versehrte, Augenzeugen von Weltkrieg II oder Vietnam (Buk selbst war ausgemustert) oder zumindest vom unheilschwangeren Klima des Kalten Krieges geprägt.
Die mehr oder weniger jungen Männer in den Gedichten, die heute noch und wieder als deren Echo daherkommen, der junge Mann in Fabian Lenthes Gedichten, sind friedensverwöhnt und haben in der Regel wohl nur wenig Blut gesehen, höchstens das von Mutters Sonntagsbraten. Ihre Fronten aber haben sie auch: spätkapitalistisches Ennui, soziale Kälte, veränderte Arbeitsverhältnisse. Die Angst vor dem Ivan ist wohl ersetzt durch die Angst vor IS-Terror und der Weltekel war nie zeitlich oder politisch gebunden. Dass das also eine Haltung und damit Tonfälle sich ähneln- gar nicht so verwunderlich. Jede Zeit kann ihren Genossen Hölle sein und sie zwingen, eine Zeit darin zu verbringen. Rimbaud mit seiner Saison en enfer kommt als Säulenheiliger nicht aus der Mode.

Ich mag einige Gedanken in Fabian Lenthes Texten sehr: bei all diesem puren Aushalten, dieser eigentlichen Unerträglichkeit der Tage gibt es den roten Faden der Poesie. Das Gedicht –es muss nicht lang oder kurz, nicht einmal gelungen oder großartig sein- fungiert hier mitunter als alternative Währung, mit der auch der pardon beschissenste Tag eventuell noch etwas zurückzahlt.

Und dann fasziniert mich, wie häufig und scheinbar folgerichtig sich in ähnlichen Texten wie auch in Lenthes der Underground-Ton und der Tonfall der Neuen Subjektivität eines Nicolas Born oder Jürgen Theobaldy berühren. Da sind einige Gedichte in diesem Band, die über die Tristesse hinaus eine Vermutung, eine Möglichkeit von Schönheit andeuten und es sind nicht die schlechteren Momente des Kollegen Lenthe- beileibe nicht!
Dieses wunderbare Ampelgedicht, der Text mit geteilten Fritten und Coke, einige weitere…hier passt jedes Wort und die zaghafte Zweisamkeit erhellt kurz all das Grau, überlagert den ganzen Müll und Beton zumindest als ein Versprechen. Ohne Loser-Pose gehen hier plötzlich Lakonie, Naivität, (Selbst-)Ironie und Schnoddrigkeit ein Stück lang Hand in Hand, auf beinahe ebenso schöne Weise wie in Nicolas Borns Gedicht: Eine Liebe.

Und da lohnt sich dann diese Haltung, die beinahe bemüht erscheint, alles allzu Schöne und Luftige zu übersehen, dieser Blick, der sich nicht zum Himmel und den Sternen richtet, sondern abwärts: zu Dreck und Müll und Asphalt. Derart eingestellt leuchtet dann ein zwischen Abfällen verlorener kleiner Schatz umso mehr.
So wächst in diesen dreckigen Pfützen der Stadt (also ist auch das Wetter pardon Scheiße) immerhin ein Stück Himmel und im letzten Satz des Bandes (tatsächlich eine Art Rimbaud- Zitat, den wir oben schon ins Spiel brachten) ist der Tag in der Hölle immerhin: ein schöner!

Er kann eine Menge, dieser Fabian Lenthe. Sein Blick ist frisch und genau, er braucht wenige Worte, um Stimmung zu erzeugen und er verfügt über die Grundzutat für wirklich gelungene Texte: Humor. Ein alles in Allem vielversprechendes Debüt!

 

In den Pfützen der Stadt wächst ein Stück Himmel – Gedichte
Rodneys Underground Press
Softcover / 116 Seiten / 8,95 EUR

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Lütfiye Güzel -Nix Meer- Rezension

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Lütfiye Güzel, von der Kritik gerne als Vorzeige-Poetin aus der Problemkultur und dem Problem-Bezirk Duisburg-Marxloh als Beispiel für gelungene Integration und Bildungspolitik ins Feld gefügt, legt mit Nix Meer einen neuen Band vor.
Ausgesprochen gelb ist er- Capri-gelb: Capri, das Sommerferien-Gedächtnis-Eis, das Eis der Kindheit.

Oder ist er eher UHU-Gelb, klebrig, leidig mit Erinnerungen an misslungene Bastelstunden belegt –wenn man damit zu arbeiten versuchte, waren bald sämtliche Fingerkuppen mit einer Schicht überzogen, die man nur mit langem, langem Rubbeln allmählich wieder abbekam. Gelang es einem, langsam langsam ein großes Stück auf einmal zu lösen, zeigte es manchmal den eigenen Fingerabdruck im Negativ.

Aber noch schnell zum Titel: Nix Meer, kein Idyll, wie gesagt, kein Sehnsuchtsort- oder doch? Das Meer, die See als Spiegel der Seele- oft benutzt, oft gelesen. Aber hier: Nix da! Nix Meer! Da war mal was- jetzt ist das nix mehr? Dazu passten die monochromen, unscharfen, ferienidyll- untauglichen Fotos müde schwappender See, die dem Text vorangestellt sind.

Als literarische Form steht hie weder Lyrik, noch Gedichte- sondern: Episode. Es ist ein Langgedicht, eigentlich, aber ist nicht jeder Text eine neue Folge aus dem Leben des Autors oder zumindest seinem Schreibleben.

Aber es ist nicht nur der Band schön gelb und der Titel bedenkenswert, sondern auch der Text außerordentlich lesenswert. Nach den auffällig unbevölkerten Seebildern kommen 65 Seiten, die es in sich haben.

Ja, wie soll man diese Art Literatur nennen: urban-social-off-beat-slam-underground?– Völlig latte. Lütfiye Güzel scheint zu schreiben, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Prosaisch, auf den ersten Blick wenig lyrisch, mal lange, mal kurze Sätze. Aber Sonettenkränze durfte man hier wohl auch nicht erwarten.
Schon Goethe sagte: „die Literatur kommender Jahrhunderte wird eine bekenntnishafte sein“ und in Güzels Text ist das lyrische Ich wohl tatsächlich recht nah an der Autorin, sind die Wirrnisse, die sie schildert wohl wirklich die Ihren und nur unwesentlich literarisiert. Man könnte diesen Band als das Porträt einer Depression bezeichnen, aber auch ein Diagramm der Auflehnung dagegen. Immerhin ist einer der Pole, zwischen denen das Ich pendelt, die Praxis des Therapeuten, in der sie sich dann aber doch fragt, warum sie ganz offensichtlich auf der falschen Seite des Tisches sitzt.
Neben ihrem unverwechselbaren Sound zwischen Lakonie, Pathos und Witz ist es eben diese unglaubliche Ehrlichkeit, die aus den Zeilen und Absätzen dieses Langgedichtes spricht und die bei Lütfiye Güzel nie zur Pose gerät.

Das Ich dieses Textes schwankt bei der Wahl ihres Sehnsuchtsortes zwischen Meer und Couch. Der DVD-Player scheint attraktiver, Selbstgespräche und fiktive Dialoge mit Johnny Depp und anderen gehen als Kommunikation gerade noch so. Ansonsten geht das Ich durch die mit Menschen bevölkerten Straßen wie eine Feldforscherin in entlegenen Gebieten, fremd und be-fremdet.

Es geht auch ums Schreiben in Nix Meer, um das Zu-Wort-Kommen und das eben nicht- das Schweigen, das Verstummen. Schlagen wir doch einmal bei Lord Chandos und in seinem nach ihm benannten Brief nach, dem wichtigsten literarischen Dokument der kulturellen Krise um die Jahrhundertwende 1900. „… ein unerklärliches Unbehagen, die Worte ‚Geist‘, ‚Seele‘ oder ‚Körper‘ nur auszusprechen, [denn] die abstrakten Worte, deren sich doch die Zunge naturgemäß bedienen muß, um irgendwelches Urteil an den Tag zu geben, zerfielen mir im Munde wie modrige Pilze“
Denn bei allem Drive, bei aller Lakonie, die Güzel stilistisch zur Schau stellt, wird hier auch sehr genau über den Zusammenhang zwischen dem Gehalt und der Gestalt des Wortes an sich nachgedacht. Bei Lütfiye Güzel lautet die Frage: Ist denn VERZWEIFLUNG nur ein Gebilde mit 12 Buchstaben waagerecht oder eben mehr? Eine Ansammlung von Zeichen, aber bilden sie ab, was sie bedeuten? Wenn nicht- wie und warum dann Gedichte schreiben, warum Literatur? Hier liegt ebenso ein Wortekel und ein daraus folgendes Verstummen in der Luft, die Einsicht, Nix Me(e)(h)r schreiben zu können- zu müssen. Chandos reloaded? Die aufstrebende Moderne und das Fin de Siècle- parallel geführt zu unserem Netz und Netflix-Zeitalter?

Und, ach, es ist ja das Gedicht –gerade das moderne- so sehr ein Konstrukt ohne konkreten Nutzwert. Die Geschichten überbringen die Erzähler, für Unterhaltung sorgen die Slammer und den Witz steuern die Comedians bei- aber was bringt das Gedicht so oft: Verwirrung, Unzugänglichkeit, sperrige Konsumierbarkeit. Es hinterlässt keine wohlige Mattigkeit, es bringt Unruhe, fordert, verlangt- nicht gerade das, was der durchschnittliche Mensch sich freiwillig regelmäßig antut.

So ist das Gedicht per se subversiver Akt und immer: Kommunikationsmittel
Auch in Lütfiye Güzels Text kommt dem lyrischen Ich diese Erkenntnis: über diese kleinen gemeinen Bandbomben in heimischen Wohnzimmern gelangt man mitunter zu der, wenn auch stillen, Verständigung mit Menschen, die man im Normalfall eher mit dem Blick des Anthropologen betrachtet.

Nix Meer ist eine lohnende, typische Güzel-Lektüre. Weitestgehend prosaisch und klar, aber unterlegt mit einer großen Melancholie und poetischen Einsprengseln, die sich beim Leser einschleichen und festsetzen.
Klug, authentisch und berührend- bleibt nur zu sagen: Go! Güzel!

Lütfiye Güzel
Nix Meer
Go-güzel-publishing
65 Seiten, 12€

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