Brasch & Dylan

Gestern stieß ich mal wieder auf diesen großartigen Text von Thomas Brasch aus dem Band: Der schöne 27. September. Vielleicht geht ja Mr. Zimmermann nicht ans Telefon, wenn das Nobelpreis-Komitee anruft, da er  -wie vor 50 Jahren- nicht der führende Hammel sein möchte.

 

Und der Sänger Dylan in der Deutschlandhalle

ausgepfiffen angeschrien mit Wasserbeuteln beworfen
von seinen Bewunderern, als er die Hymnen
ihrer Studentenzeit sang im Walzertakt und tanzen ließ
die schwarzen Puppen, sah staunend in die Gesichter
der Architekten mit Haarausfall und 5000 Mark im Monat,
die ihm jetzt zuschrien die Höhe der Gage und
sein ausbleibendes Engagement gegen das Elend der Welt. So sah

ich die brüllende Meute: Die Arme ausgestreckt im Dunkel neben
ihren dürren Studentinnen mit dem Elend aller Trödelmärkte
der Welt in den Augen, betrogen um ihren Krieg,
zurückgestoßen in den Zuschauerraum
der Halle, die den Namen ihres Landes trägt, endlich
verwandt ihren blökenden Vätern, aber anders als die
betrogen um den, den sie brauchen: den führenden Hammel.

Die Wetter schlagen um:
Sie werden kälter.
Wer vorgestern noch Aufstand rief,
ist heute zwei Tage älter.

 

 

Thomas Brasch (* 19. Februar 1945 in Westow, North Yorkshire; † 3. November 2001 in Berlin)

 

..und wie aktuell dieser Text über den Nobelpreis-Bezug hinaus ist. Die letzte Strophe hat m.E. eine fast Brecht`sche Wucht und ich überlege, ob ich sie mir auf ein Shirt drucken lasse…

 

 

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